Es war nicht gerade ein Mea culpa, aber immerhin eine kleinlaute Entschuldigung: Mark Zuckerberg rang sich endlich zu ein paar Zugeständnissen durch, nachdem infolge des Skandals um Cambridge Analytica 45 Milliarden Dollar an Börsenwert vernichtet worden waren und der Hashtag #deletefacebook auf Twitter trendete. Nur am Schlüssel des Facebook-Erfolgs wollte er nichts ändern: Mit Nutzerdaten viel Geld verdienen. Verständlich ist das, schließlich haben sich die Werbeeinnahmen von Facebook zwischen 2007 und 2017 um den Faktor 265 vervielfacht. Oder wie es der amerikanische Comedian Stephen Colbert treffend ausdrückte: „Es ist mit einer Bank zu vergleichen, die Bankräubern Ihr gesamtes Geld aushändigt – denn darauf beruht ihr Geschäftsmodell. Nur können Sie jetzt nicht mehr Ihr Konto wechseln, weil Ihre ganze Familie bei der Bank ist und Sie dort sehen können, ob Ihre ehemaligen Schulkameraden fett geworden sind.“
Noch besser bringt es Netzaktivist Sascha Lobo auf den Punkt: „Das ist das Vergehen von Facebook: dem Umsatz jede Vorsicht bei der gesellschaftlichen Wirkung sozialer Medien zu opfern“. Wird die Demokratie Big Data und künstliche Intelligenz überleben? fragen die Autoren im Scientific American und antworten verhalten: Wenn nichts gegen Filterblasen, Echokammern und personalisierte Informationssysteme unternommen wird, dann sehen sie schwarz für die informationelle Selbstbestimmung und die Meinungsvielfalt. Denn schon seit Langem kopieren Regierungen und Politiker im Wahlkampf die Methoden der Privatwirtschaft, indem sie Bürger und Wähler mithilfe von Big Data in die gewünschte Richtung „stupsen“ – ob mit oder ohne Cambridge Analytica.
Wie eindeutig die Spur ist, die wir im Netz hinterlassen, hat Christian Rudder in Inside Big Databeschrieben. Der Untertitel des englischen Originals lässt sich mit „Wer wir sind, wenn keiner hinschaut“ übersetzen, und was aus den Daten der Onlinepartnersuche OKCupid spricht, ist ziemlich unappetitlich; zum Beispiel, dass Frauen Männer in ihrem Alter bevorzugen, während Männer jeder Altersgruppe sich zu 20- bis 23-Jährigen hingezogen fühlen; oder dass Rassismus in der amerikanischen Gesellschaft viel tiefer verwurzelt ist als von den meisten angenommen. Allein anhand von Facebook-Likes, so Rudder, könnten Computer unsere sexuelle und politische Orientierung sowie moralische Grundeinstellungen herausfinden: „Wir haben die Sintflut heraufbeschworen – wird sie uns ertränken oder mit sich emporheben?“
Eine wirklich überzeugende Antwort hat darauf bisher noch niemand geliefert. Derzeit scheint die Kritik an Algorithmen zu überwiegen: Gesichtserkennungssoftware, die schwarze Menschen als Gorillas identifiziert, sensorgesteuerte Seifenbehälter, die nur weißen Händen spenden – es gibt zahllose Beispiele dafür, wie künstliche Intelligenz die Welt nicht – wie einst versprochen – besser macht, sondern ihre Schlechtheit zementiert. Nicht einmal das, was kein vernünftiger Mensch tun will, kann sie richtig gut, erläutert Moritz Riesewieck in Digitale Drecksarbeit: Auf den Philippinen sind schlecht bezahlte menschliche „Putzkolonnen“ in den Untiefen der digitalen Gesellschaft im Einsatz, um verstörende und illegale Bilder und Videos von Facebook & Co. zu löschen. Riesewiecks Fazit: „Wir dürfen es nicht länger allein schillernden Persönlichkeiten wie Mark Zuckerberg überlassen, die Welt zu verbessern und das Böse besiegen zu wollen.“ Nach allem, was man bisher weiß, könnte man entgegnen: Sie nicht aktiv zu verschlechtern, wäre schon mal ein erster Schritt.
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Es war nicht gerade ein Mea culpa, aber immerhin eine kleinlaute Entschuldigung: Mark Zuckerberg rang sich endlich zu ein paar Zugeständnissen durch, nachdem infolge des Skandals um Cambridge Analytica 45 Milliarden Dollar an Börsenwert vernichtet worden waren und der Hashtag #deletefacebook auf Twitter trendete. Nur am Schlüssel des Facebook-Erfolgs wollte er nichts ändern: Mit Nutzerdaten viel Geld verdienen. Verständlich ist das, schließlich haben sich die Werbeeinnahmen von Facebook zwischen 2007 und 2017 um den Faktor 265 vervielfacht. Oder wie es der amerikanische Comedian Stephen Colbert treffend ausdrückte: „Es ist mit einer Bank zu vergleichen, die Bankräubern Ihr gesamtes Geld aushändigt – denn darauf beruht ihr Geschäftsmodell. Nur können Sie jetzt nicht mehr Ihr Konto wechseln, weil Ihre ganze Familie bei der Bank ist und Sie dort sehen können, ob Ihre ehemaligen Schulkameraden fett geworden sind.“
Echokammern als Meinungsverstärker
Noch besser bringt es Netzaktivist Sascha Lobo auf den Punkt: „Das ist das Vergehen von Facebook: dem Umsatz jede Vorsicht bei der gesellschaftlichen Wirkung sozialer Medien zu opfern“. Wird die Demokratie Big Data und künstliche Intelligenz überleben? fragen die Autoren im Scientific American und antworten verhalten: Wenn nichts gegen Filterblasen, Echokammern und personalisierte Informationssysteme unternommen wird, dann sehen sie schwarz für die informationelle Selbstbestimmung und die Meinungsvielfalt. Denn schon seit Langem kopieren Regierungen und Politiker im Wahlkampf die Methoden der Privatwirtschaft, indem sie Bürger und Wähler mithilfe von Big Data in die gewünschte Richtung „stupsen“ – ob mit oder ohne Cambridge Analytica.
Eine Spur aus Brotkrumen im Netz
Wie eindeutig die Spur ist, die wir im Netz hinterlassen, hat Christian Rudder in Inside Big Data beschrieben. Der Untertitel des englischen Originals lässt sich mit „Wer wir sind, wenn keiner hinschaut“ übersetzen, und was aus den Daten der Onlinepartnersuche OKCupid spricht, ist ziemlich unappetitlich; zum Beispiel, dass Frauen Männer in ihrem Alter bevorzugen, während Männer jeder Altersgruppe sich zu 20- bis 23-Jährigen hingezogen fühlen; oder dass Rassismus in der amerikanischen Gesellschaft viel tiefer verwurzelt ist als von den meisten angenommen. Allein anhand von Facebook-Likes, so Rudder, könnten Computer unsere sexuelle und politische Orientierung sowie moralische Grundeinstellungen herausfinden: „Wir haben die Sintflut heraufbeschworen – wird sie uns ertränken oder mit sich emporheben?“
Das Gorilla-Dilemma
Eine wirklich überzeugende Antwort hat darauf bisher noch niemand geliefert. Derzeit scheint die Kritik an Algorithmen zu überwiegen: Gesichtserkennungssoftware, die schwarze Menschen als Gorillas identifiziert, sensorgesteuerte Seifenbehälter, die nur weißen Händen spenden – es gibt zahllose Beispiele dafür, wie künstliche Intelligenz die Welt nicht – wie einst versprochen – besser macht, sondern ihre Schlechtheit zementiert. Nicht einmal das, was kein vernünftiger Mensch tun will, kann sie richtig gut, erläutert Moritz Riesewieck in Digitale Drecksarbeit: Auf den Philippinen sind schlecht bezahlte menschliche „Putzkolonnen“ in den Untiefen der digitalen Gesellschaft im Einsatz, um verstörende und illegale Bilder und Videos von Facebook & Co. zu löschen. Riesewiecks Fazit: „Wir dürfen es nicht länger allein schillernden Persönlichkeiten wie Mark Zuckerberg überlassen, die Welt zu verbessern und das Böse besiegen zu wollen.“ Nach allem, was man bisher weiß, könnte man entgegnen: Sie nicht aktiv zu verschlechtern, wäre schon mal ein erster Schritt.
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